Queer im Alter. Älterwerden mit HIV.

Im Rahmen der Veranstaltung "Queer im Alter", die während der Prideweek 2024 im Pride House angeboten wurde, gab es einen Beitrag zum Thema "Älterwerden mit HIV". Der Referent Ian Parrington-Fester hat seinen Diskussionsbeitrag zur Dokumentation zur Verfügung gestellt und gibt damit einen spannenden Einblick in das Leben vieler älterer Menschen mit HIV und den Schwierigkeiten der "Long term Survivor". Und es ist darüber hinaus auch ein Apell an die politisch Verantwortlichen, den Menschen in Gesundheits- und Pflegeberufen, sowie an Community und Gesellschaft, sich zu positionionieren und zu engagieren, damit auch älteren Menschen mit HIV ein würdiges, selbstbestimmtes und erfülltes Leben möglich ist.

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Schwule Männer „HIV positiv" in den 80er und 90er Jahren

Ich bin lan Parrington-Fester, langzeit HIV positiv, aktiv im BSB Hamburg Mitte. Wir, meine Kollegin Reingard Wagner und ich setzten uns stark für die Belange der LGBTIQ+ Senioren ein. Durch meinen Migrationshintergrund bin ich zusätzlich in der Fachgruppe „Integration" vom LSB vertreten. Ich bin Aktivist für die Deutsche Aidshilfe und neben anderen Aktivitäten seit vielen Jahren Vorsitzender vom Fachausschuss „Kirche und Aids" für die Aidsseelsorge „positiv leben und lieben", die hier im Hause wohnt.

Wie die Überschrift bereits sagt, gehen wir als ersten Schritt zurück in die 80er und 90er Jahre, um dann einen Bogen in die Gegenwart und Zukunft zu machen. In den Zeiten der 80er und 90er bedeutete die Wahrnehmung von HIV und AIDS in den meisten Fällen das Todesurteil. Keiner wusste so richtig, worum es sich eigentlich handelte.

Es herrschte Ratlosigkeit und die Maschinerie der Diskriminierung und Stigmatisierung von den so genannten „Risikogruppen" lief auf Hochtouren. Als schwuler Mann gehörte man eindeutig zu dieser Gruppe.

So war in den 80ern das einzige Krankenhaus hier in Hamburg, welches Aidskranke aufnahm, das Tropeninstitut am Hafenrand. Hier traf man sie alle wieder, die Freunde und Bekannten aus den Clubs, den Saunen usw. Es war unbeschreiblich und beängstigend zugleich.

Zu dieser Zeit sahen viele von den HIV-positiven Männern keine Zukunft für sich. Es gab eine große Zahl an Selbstmorden - viele dieser Männer wollten aber die Zeit, die ihnen noch vergönnt war, in vollen Zügen genießen. So gingen sie auf Kreuzfahrten, auf Reisen (soweit möglich) und gaben ihr Geld aus.

Die Realität aber war, dass etliche dieser Männer weiterlebten.

Bis in die Mitte der 90er Jahre - hier begann der medizinische Fortschritt. Es kamen die ersten Kombinationstherapien auf den Markt und es begann der Übergang von HIV als tödliche Krankheit zu einer chronischen Erkrankung. Der Weg für ein Älterwerden dieser Männer war geebnet.

Für diese so genannten „Überlebenden" gibt es viele soziale und ökonomische Herausforderungen. Nicht selten setzt für diese Männer die Vereinsamung und soziale Isolation ein. Es gibt jede Menge Schwierigkeiten aufgrund früherer Annahmen über das frühe Ableben.

Ursachen: die psycho-soziale Situation und die doppelte Stigmatisierung: erst das Outing als schwul, dann als HIV positiv.

Es ist in vielen Fällen eine Erschöpfung durch die ständige Notwendigkeit sich outen zu müssen festzustellen, welche oftmals in tiefe Depressionen führt. Angst und Scham verhindern neue soziale Kontakte.

Durch das Altern sind viele dieser Männer auf Pflege angewiesen.Und hier fängt es wieder an: der Widerwillen sich erneut zu outen. Es wäre das dritte Mal, dass man sich outen muss. Der Mangel an Verständnis und Sensibilität im Pflegebereich für die spezifischen Bedürfnisse von HIV positiven schwulen Männern geben wenig Unterstützung.

Es besteht die große Notwendigkeit für geschultes Pflegepersonal, welches die Lebensrealitäten und Bedürfnisse dieser Männer versteht. Die Bedarfe für eine gute Praxis und spezialisierte Pflegeeinrichtungen sind hoch.

Lösungsansätze und Forderungen.

Ausbau der Unterstützungsnetzwerke und Selbsthilfegruppen.

Die Bedeutung von Gemeinschaft und sozialer Unterstützung unterstreichen, die bereits in existierenden Netzwerken und Organisationen als Hilfe angeboten werden und diese auch kundtun.

Forderung an Politik und Gesellschaft:

Verbesserung der Ausbildung und Sensibilisierung von Pflegepersonal.

Förderung von Aufklärungskampagnen und Anti-Diskriminierungsmaßnahmen.

Notwendigkeit für finanzielle Unterstützung und soziale Sicherungssysteme.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Herausforderungen und Bedürfnisse schwuler Männer, die in den 80er und 90er Jahren HIV positiv getestet wurden, heute mehr denn je unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung erfordern.

Es liegt an uns als Gesellschaft, für mehr Empathie, Sensibilität und konkrete Hilfsmaßnahmen zu sorgen, um diesen Männern ein würdiges und erfülltes Leben zu ermöglichen.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.

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